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Yoga nach Operationen: Wie kann ich meine Yoga-Praxis anpassen?

Während ich diesen Text verfasse, liegt meine elfte Operation vier Tage zurück. Mir geht es den Umständen entsprechend gut, aber ich bin noch weit von einer intensiven Yoga-Praxis entfernt. Für die nächsten drei Monate heißt es heilen und schonen. Muss ich deshalb mit Yoga pausieren? Nein, definitiv nicht. Ich praktiziere seit ich ein Teenager war und es gab unzählige Phasen, in denen ich Grenzen respektieren musste. Physische, psychische, zeitliche, freiwillige und unfreiwillige…aber es ist nicht so, dass man immer wieder bei null anfängt.

Ich möchte in diesem Beitrag meine Erfahrungen mit dir teilen und dir Techniken an die Hand geben, die dir ermöglichen dranzubleiben – auch abseits der Matte. Dabei spielt es keine Rolle, ob du am Bauch, am Fuß oder sonst wo operiert wurdest oder vielleicht auch einfach nur verletzt oder krank bist. Fast alle Techniken sind für fast jede:n umsetzbar. Trotzdem möchte ich an dieser Stelle betonen, dass es auch völlig okay ist, sich eine Pause zu gönnen und nicht wieder direkt zu praktizieren. Der Körper weiß sehr gut, wie er heilen kann, wir müssen ihm nur Zeit und Ruhe dafür geben. Wenn du aber das Bedürfnis hast, ihn aktiv dabei zu unterstützen, folgen hier meine persönlichen Top 7:

Ein kurzer Check-In mit deinen physischen Empfindungen und Emotionen kann dir helfen besser auf dich einzugehen. Dafür eignen sich Wahrnehmungsübungen super. Wenn dein Zustand es zulässt am besten mit nackten Füßen und direktem Bodenkontakt. Der direkte Kontakt deiner Hautrezeptoren steigert deine Wahrnehmung. Im Liegen könntest du alternativ auch die Hände auf die betroffene Stelle legen, wenn es möglich ist.

Konzentriere dich nun ganz bewusst auf die betroffene Stelle und nimm alles wahr, was sich zeigt. Ohne Wertung.

Verbinde dich mit den Emotionen die aufkommen. Nimm sie wahr, auch den Schmerz, schenke Ihnen deine volle Aufmerksamkeit und dann lass sie ausatmend ganz achtsam wieder ziehen. Fühle jede einzelne Emotion.

Schicke ein paar bewusste Atemzüge hin zu deiner Wunde und bleibe verbunden.

Um die Übung zu beenden, bedanke dich bei diesem Bereich. Bedanke dich für alles, was dein Körper überwunden hat und für alles was du dank seiner Heilungskräfte in Zukunft wieder machen kannst. Konzentriere dich auf die positiven Aspekte.

Die Wechselbeziehung zwischen Psyche, Immun- und Nervensystem ist nicht zu unterschätzen. Wir können durch mentale Techniken unseren Organismus bei der Selbstregulation und -heilung unterstützen.

Die Atmung steht für Prana – die Lebensenergie. Da medizinische Eingriffe zu Blockaden in unserem Energiefluss führen können, ist das vorrangige Ziel nun, Möglichkeiten zu finden, damit unser Prana wieder frei fließen kann. Der Atem ist eine Medizin, die uns Selbstheilung ermöglicht und jederzeit zur Verfügung steht.

Gerade nach Narkosen kann es unter Umständen zu Atembeschwerden in Folge der Intubation kommen. Hier helfen bestimmte Atemtechniken.

Mir haben vor allem die bewusste Yoga-Vollatmung und die Ujjayi Atmung geholfen. Gleichzeitig wird dabei Stress abgebaut, der Ruhenerv aktiviert, die Herz-Lungen-Funktion verbessert und der Blutdruck gesenkt.

Komme in eine angenehme sitzende oder liegende Position und nimm für ein paar Atemzüge deine Atmung wahr. Spüre ganz genau jede Ein- und Ausatmung und atme gleichmäßig durch die Nase. Dann atme für ein paar Atemzüge bewusst zu deinen Schlüsselbeinen, in deinen Brustkorb, deinen Bauch und deinen Beckenboden. Versuche die Atmung insgesamt immer ruhiger und die Ausatmung immer länger und feiner werden zu lassen – ohne Anstrengung. Zum Schluss verenge bei der Ausatmung deine Stimmritzen und atme ein paar Momente in der Ujjayi-Atmung.

Mentales Training wird meiner Meinung nach total unterschätzt. Ich biete diese Technik auch gerne als Alternative in meinen Kursen an und weiß, dass es vielen schwer fällt. Die Effekte sind aber so beeindruckend, dass ich nicht müde werde davon zu sprechen. Und auch, wenn man in seiner Bewegung eingeschränkt ist, empfehle ich mentales Training.

Die Idee dahinter ist, sich eine bestimmte Bewegung oder einen Bewegungsablauf so detailliert wie möglich vorzustellen. Immer und immer wieder. Gleichzeitig stellst du dir vor, wie genau sich diese Bewegung anfühlt.

Die mentale Simulation führt dazu, dass die gleichen Hirnareale aktiviert werden, wie bei der tatsächlichen Ausführung und auch ohne Bewegung Muskeln angesprochen werden. Möglich macht das die Geist-Muskel-Verbindung.

Diese intensive Konzentrationsübung ist zudem eine gute Vorbereitung für die Meditation.

Meditation während der Heilungsphase kann dir insbesondere dabei helfen Ruhe und Klarheit zu erlangen. Dies ist vor allem eine emotionale Unterstützung, denn operative Eingriffe können - auch wenn alles gut verläuft - durchaus traumatisch sein und oft bauen sich davor viele Ängste auf. Nicht selten zeigen sich in der Meditation verdrängte Gefühle und wollen für einen Moment gefühlt werden. Meditation ermöglicht es dir auch deinen Körper ganz bewusst zu erleben. In Stille und mit vollster Konzentration. Dieses Werkzeug eignet sich also ganz wunderbar um dein inneres Gleichgewicht wieder herzustellen.

Sobald sanfte Bewegungen wieder möglich sind: bewege dich! Vor allem Yin-Yoga hilft mir im Regenerationsprozess. Der Druck, der während unserer Yogahaltungen auf das Gewebe verübt wird, verursacht piezoelektrische Ströme, die wiederum heilende Reaktionen unserer Zellen aktivieren können. Ich empfehle vor allem Dehnübungen, die deinen Körper insgesamt strecken und längen sowie sanfte Drehhaltungen.

Eines meiner größten Learnings in meiner „Yoga-Geschichte“: der Körper erinnert sich. Immer. Es ist nicht nötig etwas zu forcieren oder auf ein Ziel hinzutrainieren. Wenn du deine Praxis angemessen und intuitiv gestaltest, hast du irgendwann wieder deinen Status Quo erreicht (vorausgesetzt, deine Operation zieht keine langfristigen Einschränkungen mit sich). Sei geduldig mit dir.

Im Yoga wird immer wieder vom Anfängergeist gesprochen. Diese neugierige, unvoreingenommene und erforschende Haltung zu kultivieren öffnet den Blick und den Raum für neue Erfahrungen. Auch wenn du etwas schon tausendfach praktiziert hast: der Anfängergeist eröffnet dir die Möglichkeit Erfahrungen immer wieder neu zu machen – ohne Bewertung. Denn jeder Moment ist anders. Besonders nach Verletzungen oder Erkrankungen kann dich diese Einstellung davor schützen, dich zu übernehmen oder dich erneut zu verletzen. Denn jeder Moment, jeder Atemzug, jede Erfahrung sind ganz neu und so noch nie zuvor dagewesen.

Ich hoffe, dass dich dieser Beitrag inspirieren konnte und dir gleichzeitig vor Augen geführt hat, dass nicht alles wieder wie vorher sein muss. Yoga bietet uns in vielen Momenten des Lebens so viele Tools, dass ich immer wieder fasziniert bin. Wenn du mehr über deine Möglichkeiten erfahren möchtest und dir eine enge Begleitung von mir auf deinem Weg wünscht, dann zögere nicht davor mir einfach zu schreiben!

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