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Atmung im Yoga – Wie die richtige Technik dein Wohlbefinden sanft unterstützt

Atmen ist Leben. Ununterbrochen versorgt unsere Atmung die Zellen mit Sauerstoff – etwa 12–20-mal pro Minute atmen wir ein und aus. Bei Babys etwa, 35–38-mal, bei Kleinkindern 15-22-mal. Im Idealfall ist sie entspannt, langsam und ruhig, was uns allgemein in einen entspannten Zustand führt. Bei hoher Aktivität oder Stress hingegen wird unsere Atmung sofort flacher und schneller. Durch aufmerksame Beobachtung unserer Atmung können wir viel über unseren gesundheitlichen und mentalen Zustand erfahren. Gleichzeitig hilft sie uns, bestimmte emotionale Zustände bewusst zu regulieren und Atemübungen speziell zur Bewältigung von Angst, Wut und Trauer zu nutzen. Die Atmung im Yoga spielt in der Yogaphilosophie eine zentrale Rolle und dieser Beitrag zeigt dir, wie du beides sinnvoll nutzen kannst.

In der Yoga-Praxis ist die Integration der Atmung essenziell – insbesondere die Atemregulierung Prāṇāyāma stellt den Übergang von der äußeren zur inneren Yoga-Praxis dar. Sie bildet die 4. Stufe des 8-gliedrigen Yoga-Pfades. Die Atemtechniken werden im Yoga genutzt, um den Energiefluss im Körper auszugleichen, den Geist zu beruhigen und sich in Achtsamkeit und Präsenz zu üben. Prana bezeichnet die Lebensenergie, die alles durchfließt und ist gleichzeitig das Wort für Atmung. Beides ist untrennbar verbunden. So spiegelt sich unsere Lebenskraft in unserer Atmung wider und kann durch gezielte Beeinflussung der Atmung gestärkt werden. Damit fördern wir auch unsere Willens- und Konzentrationskraft.

Obwohl das Atmen automatisch über unser vegetatives Nervensystem gesteuert wird, atmen die meisten Menschen nicht „richtig“. Oft beeinflussen wir unbewusst unsere natürliche Atmung durch Mundatmung, Überatmung und Brustatmung. Ursachen hierfür sind häufig Stress, enge Kleidung, Anspannung, eine schlechte Körperhaltung und ein fehlendes Bewusstsein für richtiges Atmen. Das zeigt uns schon, dass wir uns, bevor wir richtig Atmen können, oft erstmal vorbereiten müssen. Hier helfen uns zum Beispiel verschiedene Körper- und Achtsamkeitsübungen.

Viele meiner Yogaschüler:innen setzen sich erst auf ihrem Yoga-Weg intensiv mit ihrer Atmung auseinander und sind überrascht, dass sie die natürliche Atmung wieder erlernen müssen. Sobald diese Hürde überwunden ist, werden die bewusst auf die Normalatmung einwirkenden Atemtechniken des Yoga häufig zum Lieblingsteil der Yogapraxis.

Die Hauptwirkungen von Prāṇāyāma

Prāṇāyāma hat zahlreiche positive Effekte. Unter anderem:

  • Beruhigung des Nervensystems,
  • Regeneration und Entgiftung des Körpers,
  • Verbesserte Verdauung und Lungenfunktion
  • Gesteigerte Aufmerksamkeit und Wachheit,
  • eine höhere Leistungsfähigkeit,
  • mehr Gesundheit und Ausgeglichenheit,
  • verbessertes Immunsystem,
  • verbesserte Stressresilienz und Stressreduktion,
  • Veränderung des Hippocampus, was sich positiv auf das Lernen und die Gedächtnisleistung auswirkt und
  • Verbesserter Schlaf.

Bestimmte Atemtechniken fördern die Ausscheidung von Toxinen und regen den Stoffwechsel an, wodurch ideale Voraussetzungen für die Meditation geschaffen werden.

Atemtechniken und Mantras

Im Yoga wird die Atmung auch gerne mit Mantras kombiniert. Besonders das Gayatri-Mantra spielt in der yogischen Praxis des Atemanhaltens eine wichtige Rolle. Der Rhythmus des Mantras ist bewusst so gestaltet, dass du beim Mitsingen (Chanten) deine Ausatmung verlängerst. Probiere es gerne einmal aus!

Übung „Chanten“

Suche dir das Gayatri-Mantra heraus (z.B. bei Spotify I Werbung, da Markennennung) und nimm eine bequeme Sitzhaltung ein. Singe das Mantra wiederholt mit, bis du den Text auswendig gelernt hast. Später kannst du ohne Begleitung chanten und das Mantra auch stumm rezitieren.

Ist Yoga gut für die Atmung?

Yoga, insbesondere das Praktizieren von Yoga-Übungen (Asanas), hilft, dein Körperbewusstsein zu verbessern. In verschiedenen Haltungen kannst du üben, deine Atmung unbeeinflusst wahrzunehmen. Indem du die Haltungen hältst und deine Atemräume beobachtest, kannst du möglicherweise die Atmung im ganzen Körper spüren und diesen als Ganzes wahrnehmen.

Viele Asanas betonen zudem die Dehnung und Stärkung der Atemmuskulatur, was zu einer verbesserten Atemmechanik führt. Bestimmte Atemtechniken können auch dabei helfen, Ängste und Depressionen zu reduzieren und das eigene Schmerzempfinden positiv zu beeinflussen.

Auch Reinigungstechniken (Kriyas) unterstützen unsere Atmung. So wird zum Beispiel die traditionelle Nasenspülung Jala Neti nicht nur gegen Allergien und Erkältungen empfohlen, sondern hält auch unsere Nebenhöhlen frei, was wiederum ein freieres Atmen und Raum für unsere Stimme ermöglicht.

Die Wirkungen der Atemtechniken

Die verschiedenen Atemtechniken im Yoga helfen uns bei:

  • der Stressbewältigung (z.B. Brahmari),
  • Verbesserung der Schlafqualität (z.B. Wechselatmung) und
  • Steigerung von Konzentration und Energie (z.B. Kapalabhati, Ujjayi).

Wie hilft Die AtmUNG IM Yoga?

Die bewusste Atmung hilft, den Geist zu beruhigen und das Bewusstsein auf den gegenwärtigen Moment zu lenken. Durch die Fokussierung auf die Atmung kann der Geist von ablenkenden Gedanken befreit werden, was zu einem tieferen Eintauchen in die Yoga-Praxis führt.

Die Atmung dient als Bindeglied zwischen Körperbewegungen und dem Geist. Die Synchronisation von Bewegung und Atmung ermöglicht es, die Asanas fließend und kontrolliert auszuführen und gleichzeitig die richtige Ausrichtung zu bewahren. Über die Atmung können wir gezielt Einfluss auf unser Nervensystem nehmen.

Wenn du dich fragst, wie genau du deine Atmung im Yoga einsetzen sollst, helfen oft diese Punkte:

  1. Einatmend kreieren wir Weite und Raum für unsere Atmung, also z.B. Arme zu den Seiten öffnen.
  2. Ausatmend unterstützen wir eine vollständige Ausatmung und lassen los, z.B. in einer Vorbeuge.
  3. Sich im Rhythmus der Atmung bewegen, bedeutet auch aufmerksam für natürliche Atempausen zu sein. Hier hilft es sich Zeit zu lassen und auf Atemimpulse zu warten. Oft beobachte ich, dass Schüler:innen eher dem Bewegungsrhythmus angepasst atmen.

Eine ganzheitliche Yoga-Praxis umfasst die bewusste Atmung; ohne sie wäre Yoga nur Sport. Da es sowohl beruhigende als auch anregende Atemübungen gibt, kann Prāṇāyāma die Intention deiner Yoga-Praxis unterstützen. Dies gelingt, weil wir wissen, dass mit jeder Einatmung der Sympathikus aktiviert wird und das Herz schneller schlagen lässt. Mit der Ausatmung wird hingegen der Parasympathikus aktiviert und unsere Herzfrequenz sinkt. Insgesamt erhöhen Atemübungen die Sauerstoffaufnahme, was auch der Asana-Praxis zugutekommt. Die Entspannung in die Atmung hinein hilft uns, in den einzelnen Yoga-Übungen müheloser zu ruhen. Yoga unterstützt unser Nervensystem somit dabei, flexibel und belastbar zu bleiben.

Wähle eine Yoga-Haltung, die du gerne praktizierst und bleibe dort ein paar Atemzüge. Stelle dir folgende Fragen:

  • Wie kann ich einatmend noch mehr Leichtigkeit und Raum in der Haltung finden?
  • Wie kann ich ausatmend Stabilität und Erdung einladen?
  • Wie kann die Einatmung mich unterstützen, das Asana sich entfalten zu lassen?
  • Wie kann die Ausatmung mir helfen, unnötige Anspannung abzugeben?
  • Kann ich in den Momenten zwischen zwei Atemzügen einfach nur sein?

Was ist bei der Yoga-Atmung zu beachten?

Es ist wichtig zu beachten, dass die im Yoga praktizierten Atemtechniken einen starken Eingriff in unseren Körper darstellen. Daher solltest du dich stets über Indikationen und Kontraindikationen informieren und die Techniken angemessen praktizieren. Nicht jede Übung ist für jeden Menschen geeignet. Bei manchen Menschen können bestimmte Atemtechniken zum Beispiel Panikattacken auslösen oder schmerzhafte Erinnerungen triggern. Die beliebte Feueratmung (Kapalabhati) ist zum Beispiel nicht geeignet bei Angststörungen, Bluthochdruck, bestimmten Augenerkrankungen oder in der Schwangerschaft. Das Bienensummen (Brahmari) hingegen kann Angstzustände lindern.

Allgemeine Kontraindikationen sind:

  • Forcierte Atemtechniken (z.B. Bhastrika) bei Hypertension, Herzbeschwerden sowie Neigung zu Nasenbluten vermeiden.
  • Glaukom-Patient:innen und Diabetiker:innen sollten bei forcierten einseitigen Atemtechniken aufpassen.
  • Bei schizophrenen Psychosen solltest du von einseitigen, meditativen Techniken absehen.

Daher empfehle ich, neue Atemtechniken immer mit einer:einem erfahrenen Lehrer:in zu üben. Und: sobald ein bestimmter vorgegebener Atemrhythmus Stress bei dir auslöst, passe ihn für dich an oder lass deine Atmung einfach frei fließen. Gerade Anfänger:innen fällt es oft schwer die Atmung mit der Yoga-Praxis zu synchronisieren und auch die Atempause sollte immer vorsichtig ausgeführt werden. Alle sanften Pranayama-Techniken sind jedoch für fast alle Menschen geeignet.

Bei mir war es so, dass ich von Kind auf mit schwerem Asthma zu kämpfen hatte und froh war, wenn ich überhaupt frei atmen konnte. In meine Atmung einzugreifen, hat mir wortwörtlich „die Luft abgeschnürt“ und Angst gemacht. In meiner Yogalehrer:innen-Ausbildung wussten die Lehrer:innen um die Kraft der Atemtechniken, weshalb sie erst relativ spät eingeführt wurden. Und selbst da habe ich viele Jahre manche Übungen nur mental mitpraktiziert, um mich dem Thema ohne Stress zu nähern. Heute liebe ich alle Atemtechniken und kann Entspannung in ihnen finden. Auch mein Asthma ist kein großes Thema mehr.

Wichtig ist auch zu wissen, dass die verschiedenen Übungen gezielt eingesetzt werden und nicht die Normalatmung ersetzen sollten. Deshalb empfehle ich, zu Beginn erst einmal ein gutes Gespür für deine Normalatmung zu bekommen. Am besten gelingt dir das durch regelmäßige Atembeobachtung.

Lege oder setze dich aufrecht und entspannt hin und versuche, deinen natürlichen Atemfluss aufmerksam zu beobachten, ohne ihn zu beeinflussen.

  • Was fällt dir auf?
  • Durch welches Nasenloch fließt mehr Luft?
  • Wo wirkst du durch Anspannung auf deine Atmung ein?
  • Kannst du deine Bauchdecke bewegt und entspannt lassen? Stell dir vor, dass du in deinen Bauch atmest.

Insbesondere das typische Atemanhalten darf nicht übertrieben werden, sodass kein „Lufthunger“ entsteht. Gleichzeitig kann ein zu kurzes Anhalten zu einem Überschuss an Sauerstoff führen und Schwindel auslösen. Zwar wird im Yoga meistens in der Atemfülle gehalten, aber auch bei Übungen in der Atemleere ist Vorsicht geboten, da diese meist schwieriger sind und zu Sauerstoffmangel führen können.

Die Atmung besteht dabei immer aus einem bestimmten Zeitverhältnis zwischen Einatmen (Puraka), Atemanhalten (Kumbhaka) und Ausatmen (Recaka). Für Anfänger:innen empfiehlt es sich, im Verhältnis 1:2:2 oder 1:1:1 zu praktizieren. Bis auf ein paar Ausnahmen wird stets die Nasenatmung praktiziert. Im Idealfall atmest du „in den Bauch hinein“ und lässt deine Bauchdecke entspannt im Rhythmus deiner Atmung bewegen. Diese Atmung hat folgende Vorteile:

  • Die Luft wird befeuchtet, gefiltert und erwärmt.
  • Der Geruchssinn wird aktiviert.
  • Sie ist effizienter als die Mundatmung.
  • Die Sauerstoffversorgung ist erhöht (etwa 20% höher als bei Mundatmung).
  • Die Ausatmung wird länger und feiner.
  • Das Immunsystem wird verbessert.
  • Der Vagusnerv wird stimuliert.

Wie kann ich Atemübungen in den Alltag integrieren?

Am besten nimmst du dir jeden Tag einen Moment Zeit, dich bewusst mit deiner Atmung auseinanderzusetzen. Eine regelmäßige Routine hilft dir, ein besseres Gespür für deine Atmung zu entwickeln. Ich persönlich integriere viele Atemübungen, wie die Ujjayi-Atmung oder die mentale Wechselatmung, in Situationen, in denen ich zum Beispiel warte oder nicht schlafen kann. Immer wenn du zum Handy greifen willst, überlege, ob du nicht auch eine Atemtechnik praktizieren könntest.

Idealerweise praktizierst du nach den Asanas mit leerer Blase und leerem Magen. Die Wirbelsäule sollte dabei aufgerichtet sein und der Raum gut belüftet. Wenn du das ganze neugierig und sanft angehst, wirst du schon bald von den Vorteilen profitieren.

Du willst dich vertieft mit dem Thema "Atmung im Yoga" auseinandersetzen und dir zuträgliche Atemtechniken erlernen? Kontaktiere mich gerne für 1:1-Unterricht oder besuche meine Kurse/Events. Dort spielt die Atmung immer eine wichtige Rolle.

Alle Fotos hat die wundervolle Sophie Bellmann aufgenommen!

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