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Vorbeugen im Yoga: Eine Praxis der Hingabe

Vorbeugen im Yoga gehören ganz selbstverständlich, wie auch Rück- und Seitbeugen und Dreh- und Umkehrhaltungen in jede ausgewogene Āsana-Praxis. Sie werden von den einen heiß geliebt, andere wiederum haben schon Fluchtgedanken, wenn diese nur angekündigt werden. Das hängt natürlich damit zusammen, dass du dich nicht „einfach nur nach vorne beugst“. Der Prozess ist auf grob- und feinstofflicher Ebene viel komplexer. Was genau da in deinem Körper geschieht und was meine liebsten fünf Vorbeugen sind, erfährst du in diesem Beitrag. Um noch mehr Expertise in diesen Blogpost zu bringen habe ich mir auch wertvollen Input von meiner Yoga-Lehrerin Katharina Meinhard geholt. Katharina unterrichtet seit 33 Jahren Yoga und ist Leiterin der Yogaschule Dresden.

Jede Vorbeuge ist in erster Linie eine demütige, nach innen gerichtete Haltung. Es braucht Hingabe, Vertrauen und Mut, sich derart von seiner Umwelt abzuwenden. Die innere Fokussierung wird auch dadurch unterstützt, dass diese Bewegung das Herz weiter ins Innere senkt. In Vorbeugen ist die innere Arbeit dadurch gekennzeichnet, dass du Widerstände loslassen und nichts forcieren solltest.

Katharina fasst zusammen: „Vorbeugen unterstützen die Flexibilität der Wirbelsäule und die Ernährung der Bandscheiben. Auf energetischer Basis unterstützen sie die Sammlung der Energie, eine emotionale und mentale Verinnerlichung und auch einen Rückzug im Sinne von Pratyāhāra (das Zurückziehen der Sinne, 5. Stufe des Yoga). Es empfiehlt sich eine Āsana-Praxis mit einer Vorbeuge zu beenden um noch einmal in die Sammlung zu kommen, bevor man in Śavāsana (Rückenlage), Prāṇāyāma (Atemtechniken, 4. Stufe des Yoga) oder die Meditation übergeht.“

Sie ergänzt: „Wenn du Vorbeugen nicht so gerne praktizierst, kann das daran liegen, dass du insgesamt sehr steif bist. Gerade Verkürzungen in den Beinrückseiten machen es uns an dieser Stelle schwer.“

Vorbeugen sollten gut vorbereitet werden, damit du sie in ihrer Gänze genießen kannst. Vor allem die Beinrückseiten sollten zuerst sanft vorgedehnt werden. Auch Drehhaltungen eignen sich hervorragend um deine Wirbelsäule einzustimmen. Hilfreich ist es auch, wenn du dir Zeit lässt und langsam in das Āsana reingehst und deine Grenzen akzeptierst um dich nicht in eine Haltung zu zwingen, die dir nicht guttut. Katharina weist darauf hin: „Wenn du akute Bandscheibenprobleme oder Schmerzen in der Lendenwirbelsäule hast, sind Vorbeugen nicht empfohlen.“

Um noch intensiver in die Körperwahrnehmung und ins Spüren zu kommen kann dich vor allem der Atem unterstützen. Katharinas Tipp: „Versuche mal in der Haltung neue Atemräume wahrzunehmen, zum Beispiel im unteren Rücken. Dabei kann es dir helfen die Hände auf diesen Bereich des Körpers zu legen.“

Natürlich gibt es eine Vielzahl von Vorbeugen im Yoga. Ich gebe dir hier eine kleine Auswahl meiner Lieblingsāsanas an die Hand und erkläre dir ihre Wirkung.

Diese Haltung ist nicht nur eine Vorbeuge, sondern gleichzeitig auch eine Umkehr- und eine Ruhehaltung. Sie streckt die Wirbelsäule und macht sie geschmeidig und gelenkig. Sie dehnt außerdem die Beinrückseiten, vor allem die Kniekehlen, unterstützt die Blutzufuhr zum Gehirn und stärkt das Nervensystem. Die Muskeln der Körperrückseite werden gestärkt. Diese Vorbeuge wirkt erdend, dehnend und kräftigend. Sie verbessert deine Haltung und fördert deine Vitalität.

Uttanasana

Tipp: Achte darauf, dass der Bauchnabel sanft nach innen zieht.

Info am Rande: Aus dem Sanskrit übersetzt bedeutet Uttānāsana „Haltung des nach oben Dehnens“. Ich liebe es, in meiner Yoga-Praxis beide Qualitäten wahrzunehmen: die Ausrichtung der Beine nach oben und die Hingabe des Oberkörpers nach unten. Probiere es mal aus!

Diese Vorbeuge wirkt dehnend, entspannend, harmonisierend und entgiftend. Die ganze Körperrückseite wird gedehnt. Diese Haltung hat vor allem eine verjüngende Wirkung und hilft uns dabei, Grenzen zu überwinden. Das Verdauungssystem wird stimuliert und gestärkt, was gegen Verstopfung und Übergewicht helfen kann. Außerdem wird die Bauchspeicheldrüse angeregt. Die Kniesehnen werden gekräftigt, der untere Rücken gelenkig und die gesamte Rückenmuskulatur gedehnt. Das Nervensystem wird energetisiert, was deine Konzentrationsfähigkeit steigert. Die Füße sind dabei geflext, die Schultern weg von den Ohren und der Rücken möglichst lange gerade.

Paschimottanasana

Tipp: Beginne Schritt für Schritt, indem du erst mit aufgestellten Füßen übst und diese dann immer weiter nach vorne wandern lässt. Nutze die Kraft deiner Arme um den Rumpf sanft noch tiefer in die Dehnung zu ziehen.

Info am Rande: Das ist auch Katharinas Lieblings-Vorbeuge. Sie sagt dazu: „Hier habe ich gelernt, dass ich mit Wollen und Anstrengung nicht weiterkomme, sondern loslassen muss, einfach akzeptieren, wo ich gerade bin. Und auf einmal konnte ich mich doch noch etwas mehr hineingleiten lassen. Das war für mich ein Schlüsselerlebnis.“

Bei dieser asymmetrischen Vorbeuge wird zusätzlich das Becken gedehnt. Die hinteren Oberschenkelmuskeln des gestreckten Beines werden stark gedehnt und die Muskeln des unteren Rückens und der Schultern aktiviert. Wichtig ist, dass du dich aus der Hüfte nach vorne beugst und nicht aus der Taille. Außerdem solltest du vor allem die Haltung des angewinkelten Beines möglichst präzise ausführen.

kopf zu knie

Diese Entspannungshaltung vermittelt ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit – wie im Mutterleib. Die Atmung wird stimuliert, Schmerzen im unteren Rücken gelindert und die Schultern entspannt. Auch die Muskeln der Körpervorderseite können sich entspannen. Die Rückenmuskeln werden passiv gedehnt, die Bauchorgane sinken nach vorne und der Rücken kann sich weiten. Die Stellung des Kindes kann Gefühle wie Vertrauen und Neugier auf neue Erfahrungen in dir erwecken.

balasana

Diese Haltung ist vor allem für Anfänger:innen geeignet, da sie dir ermöglicht in entspannter Haltung erst einmal die Ausrichtung nach innen zu üben. Ich liebe die Knieumarmung um mir in meiner Yoga-Praxis Pausen zu können. Wenn du hier sanft von links nach rechts schaukelst erfährt dein unterer Rücken eine wohltuende Massage. Viel Spaß beim Ausprobieren!

pavanamuktasana

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