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Yoga mit Skoliose: Was gibt es für mich zu beachten?

Etwa 3-5 % der Bevölkerung leiden unter Skoliose, einer seitlichen Wirbelsäulenverkrümmung mit gleichzeitiger Verdrehung der Wirbelkörper. Immer öfter treten Yogaschüler:innen an mich heran, weil sie verunsichert sind, ob Yoga mit Skoliose das Richtige für sie ist und welche Art von Yogapraxis in Frage kommt. In diesem Beitrag möchte ich die wichtigsten Fragen zu diesem Thema beantworten.

Bei Skoliose ist Bewegung in jedem Fall empfohlen und auch Yoga eine sehr geeignete Methode. Prinzipiell ist Yoga nie ein Nachteil, wenn er richtig und mit Achtsamkeit ausgeführt wird. In diesem besonderen Fall kann Yoga dazu beitragen die Beweglichkeit zu fördern und körperliche Verspannungen (durch Fehlhaltung) sowie psychische Anspannung zu lösen.

Insbesondere die Tatsache, dass Yoga hilft Stress zu reduzieren, führt zu weniger Muskelverspannungen und einer Verminderung von Schmerzen. Das kommt daher, dass beim Dehnen Endorphine ausgeschüttet werden, die das vegetative Nervensystem beruhigen und somit zu einer Schmerzreduktion führen können. Gleichzeitig wird die teils sehr verkürzte Muskulatur gedehnt und die sehr gedehnte Muskulatur kann gezielt gestärkt werden. Die Faszien und das Bindegewebe werden zusätzlich gelockert. Das damit einhergehende Ausbalancieren des Ungleichgewichts verbessert insgesamt die Nervenleitung.

Die gezielte Atmung beim Yoga kann dich außerdem dabei unterstützen Weite im Brustkorb zu schaffen und auch die konkaven Seiten können mit Hilfe der Atemmuskulatur gezielt geweitet werden. Prāṇāyāma (die rhythmische Kontrolle des Atems) spielt dabei eine wichtige Rolle. Dies bestätigt auch Dr. Hedwig H. Gupta, Fachärztin für Orthopädie mit Schwerpunkt Rheumatologie, Āyurveda, therapeutischer Yoga, Akupunktur, Manuelle Medizin und geschätzte Dozentin von mir: „Die Atmung ist extrem wichtig. Aus ayurvedischer Sicht ist die Skoliose eine Prāṇa-Mangel-Erkrankung. Mit Prāṇāyāma können wir nicht nur mehr Prāṇa (Lebensenergie) im System halten, sondern auch die Aufrichtung und die Rippenbeweglichkeit fördern und Muskelfehlspannungen und Verkürzungen lösen.“

Auch der Yoga-Stil kann eine Rolle spielen. Ratsam wäre ein eher ruhiger Yoga-Stil mit Fokus auf korrekter Ausrichtung (wie z.B. Hatha-Yoga oder Iyengar-Yoga) um eventuelle Fehlhaltungen und kontraproduktive Bewegungsmuster nicht noch zu intensivieren. Letztlich hält Hedwig jedoch fest: „Weniger entscheidend ist der Stil, sondern die Auswahl und Betonung der Bewegungen, der Atmung und der feineren Techniken.“

Allgemein gilt: Yoga kann unterstützend wirken und jeder Körper ist anders – ob mit oder ohne Skoliose. Deswegen sollte das primäre Ziel sein, ein gutes Gespür für deinen Körper und dessen Bedürfnisse mit Hilfe von Yoga zu entwickeln um herauszufinden was dir guttut.

Natürlich hilft nicht nur Bewegung, sondern auch eine positive Einstellung zu deiner ganz besonderen Wirbelsäule. Praktiken wie Meditation und Tiefenentspannung helfen dir dabei ein gutes Körpergefühl zu entwickeln sowie physische und psychische Anspannungen abzubauen. Gleichzeitig führt eine regelmäßige Meditationspraxis dazu, Stress zu reduzieren und generell einen achtsameren Lebensstil zu kultivieren, was wiederum beim Umgang mit chronischen Schmerzen helfen kann.

Bei Skoliose bieten sich zudem gezielte, geführte Meditationen mit Fokus auf die Wirbelsäule an um ein Gefühl für diese zu entwickeln und sie gleichzeitig zu längen und viel Platz zwischen den Wirbeln zu schaffen. So kann man durch das Trainieren der inneren Haltung auch Einfluss auf die äußere Haltung ausüben. Auch Hedwig hebt die Relevanz der Meditation hervor: “Man sollte auch die Wirkung von feinen Techniken wie der Mediation nicht unterschätzen. Am Ende entsteht eine Störung wie die Skoliose auf feinstofflicher Ebene bevor sie sich grobstofflich weiterentwickelt.“

Die vorrangigen Ziele bei Schüler:innen mit Skoliose sind: Erden und Entspannen, Kräftigung und Aufrichtung des Rumpfes sowie Lösung der Schulter-Nacken-Region und des Beckens. Gerade bei Anfänger:innen kann das bei zu intensiver Praxis zu Beginn erstmal zu Verspannungen führen. Das Ausführen ungewohnter Bewegungsabläufe und das Beanspruchen von Muskeln, die davor vielleicht lange still und heimlich in ihrer Schonhaltung verharrt sind, können dazu führen, dass diese zu Beginn der Yogapraxis genau das Gegenteil vom eigentlichen Ziel machen: nämlich fest werden. Dann gilt es wieder einen Schritt zurückzugehen, noch achtsamer zu praktizieren, aber vor allem auch in der Bewegung zu bleiben.

Das Schlagwort hier ist ahiṃsā! Ahiṃsā bedeutet „Gewaltlosigkeit“ und das sollte auch für deine Yoga-Praxis gelten. Der Fortschritt kommt durch eine regelmäßige, achtsame Yoga-Praxis, angepasst auf deine individuellen Voraussetzungen, von ganz alleine – es ist nicht nötig etwas zu forcieren.

Wichtig ist, besonders sanft vorzugehen und sich durch eine:n qualifizierten Yogalehrer:in anleiten zu lassen – vielleicht sogar im Privatunterricht. Allgemein solltest du besonders achtsam bei Seitbeugen und Drehhaltungen sein und viele gekreuzte Übungen ausführen, wie z.B. beim Tiger. Laut Hedwig sind absolute No-Gos: „Die Betonung auf Bewegungen, die der Richtung der Verformung entsprechen. Dreht z.B. die Skoliose nach links, sollte die Hauptrichtung bei Drehhaltungen nach rechts gehen, auch wenn das für den Betroffenen schwieriger ist. Liegt eine Kyphoskoliose vor, bei der die Brustwirbelsäule stärker als üblich nach vorne verkrümmt ist, dann sollte die Rückbeugung mehr als die Vorbeugung geübt werden.“

Natürlich bietet der Yoga auch für Menschen mit Skoliose eine breite Palette an Möglichkeiten. Laut Hedwig ist es besonders wichtig „ein ausgeglichenes Konzept aus Vor- und Rückbeugen, Umkehrungen und Drehungen mit Betonung in die der Krankheit entgegengesetzten Richtung mit Achtsamkeit und unter Leitung des Atems“ zu haben. Außerdem „viel Prāṇāyāma, evtl. ausgleichende Formen wie Nāḍī-Śodhana (Wechselatmung), gerne auch Ujjayi (reibende Atmung), wenn der Betroffene das schon kann und meditative Verfahren, z.B. mit Lichtmeditation, Mantras (heilige Gebete) und Mudrās (Siegel).“

Nachfolgend findest du eine kleine Auswahl von mir als Inspiration für deine Yoga-Praxis:

Dies ist die Grundhaltung aller stehenden Positionen. Man steht dabei fest und aufrecht wie ein Berg. Verteile dein Körpergewicht gleichmäßig auf Ballen, Ferse und Fußaußen- und Innenkante; entspanne deine Knie; kippe dein Becken, länge deinen unteren Rücken und lass die Schultern sanft nach hinten unten fließen. Der Nacken ist lang und das Kinn leicht zur Brust herangezogen. Werde dir in dieser Haltung der Aufrichtung deiner Wirbelsäule und deiner Verbindung zur Erde bewusst und genieße die Ruhe und Konzentration.

tadasana

Bei dieser aufrechten Haltung stehen die Füße etwa eine Beinlänge auseinander, der Körper streckt sich nach einer Seite, und der vordere Arm reicht nach unten und berührt das vordere Bein oder den Boden. Der andere Arm streckt sich nach oben zum Himmel aus. So wird von Rumpf, Arm und Bein ein Dreieck gebildet. In dieser Haltung werden die Beine asymmetrisch gedehnt sowie die Bauch- und Rückenmuskeln gestreckt. Achte darauf, dass dein Rücken gerade und der Nacken lang ist und die untere Hand sich nicht abstützt. Der Rumpf sollte aufgerichtet sein um Weite im Brustkorb zu ermöglichen.

trikonasana

Der herabschauende Hund Kombiniert Armstütz, Umkehr- und Ruhehaltung. Er dehnt und kräftigt vor allem den Rücken, die Arme und die Beine. Achte darauf, dass du Weite zwischen den Schultern schaffst und die Arme nicht überstreckst. Der Kopf darf entspannt zwischen den Armen hängen. Die Hüfte schiebt Richtung Himmel, während die Fersen Richtung Boden sinken.

downdog

Die wechselseitige Nasenatmung wirkt harmonisierend und ausbalancierend. Ausgangspunkt ist ein bequemer Sitz. Die rechte Hand wird zum Viṣṇu-Mudrā geformt (Zeige- und Mittelfinger klappen zum Handballen) und zur Nase geführt.  Der Ringfinger kann auf dem Nasenrücken aufliegen und der kleine Finger dient dazu das linke Nasenloch zu verschließen, der Daumen für das rechte.

Man beginnt links mit einer Einatmung und verschließt das rechte Nasenloch. Dann schließt man beide Nasenlöcher und atmet danach rechts lang und fein aus, während links verschlossen bleibt. Die Einatmung erfolgt nun über rechts, dann wieder beide Löcher versschließen und links ausatmen, während rechts geschlossen bleibt. Danach beginnt der Ablauf von vorne. Wiederhole die Wechselatmung ein paar Mal in deinem Atemrhythmus und achte darauf, dass deine Atmung die ganze Zeit über frei fließen kann.

nadi shodana

Ausgangspunkt ist eine bequeme Sitzhaltung. Achte darauf, dass dein Bauchnabel leicht Richtung Wirbelsäule zieht, die Schultern weg von den Ohren sind und der Nacken gerade bleibt. Dann strecke einen Arm nach oben und bringe die Hand zwischen die Schulterblätter. Mit der anderen Hand versuchst du hinter dem Rücken die obere Hand zu greifen. Alternativ kannst du auch einen Gurt zu Hilfe nehmen oder dein Oberteil greifen. Mit der Einatmung schaffe Weite im Brustkorb. Wenn es sich gut für dich anfühlt, kannst du ausatmend in die Vorbeuge gehen und dort für ein paar Atemzüge bleiben.

kuhkopf

Im Seitstütz achte bitte darauf, dass Hüften, Rücken und Nacken eine Linie bilden. Der Bauch ist aktiviert und der Blick geht zur oberen Hand. Alternativ könntest du den Unterschenkel des unteren Beines am Boden ablegen, falls es dir noch etwas an Kraft fehlt. Drücke dich in jedem Fall ganz bewusste aus der unteren Schulter heraus und ziehe dich mit dem oberen Arm in die Länge Richtung Himmel. Der Seitstütz schult den Gleichgewichtssinn und kräftigt die Schultermuskeln.

side plank

Diese Haltung eignet sich jederzeit, wenn du dir mal eine Pause gönnen möchtest. Sie wirkt beruhigend, zentrierend, dehnend und regenerierend. Da sie eine Ruheposition ist, solltest du darauf achten, dass du eine Variante für dich findest, in der du entspannen und loslassen kannst. Der Po nähert sich den Fersen und wenn du magst, kannst du zu Beginn leicht hin und her schaukeln. Schultern und Nacken sollten in Balāsana möglichst entspannt sein. Die Stirn liegt schwer am Boden oder auf einer Erhöhung, wie zum Beispiel einem Kissen.

balasana

Die Kobra ist eine Rückbeuge aus der Bauchlage. Hier gilt es zu beachten, dass die Fußrücken aufliegen, die Beinrückseite aktiv und der untere Rücken lang ist. Schmiege dein Schambein bewusst an den Boden an. Die Ellbogen sind nah an den Rippen und zeigen nach oben und es lastet kaum Gewicht auf den Händen. Sei hier besonders achtsam mit deinem unteren Rücken und Nacken. Der Fokus sollte auf der Weitung des Brustkorbes liegen und es gilt „weniger ist mehr“.

kobra

Der „yogische Schlaf“ ist eine Übung zur Tiefenentspannung. Der Körper schläft, während der Geist vollbewusst bleibt, wenn auch alle seine Regungen gestillt sind. Diese Übung führt nicht nur zu absoluter Entspannung, sondern auch dazu, dass du maximal mit Energie (Prāṇa) aufgeladen wirst. Am besten lässt du dich von einer/einem erfahrenen Lehrer:in anleiten oder suchst dir eine geführte Audio-Aufnahme heraus.

savasana

Bei diesem Āsana liegt man auf dem Rücken wie ein lebloser Körper; indem man bewegungslos bleibt und den Geist bei vollem Bewusstsein stillhält, lernt man, sich zu entspannen. Die bewusste Entspannung belebt und erfrischt sowohl Körper wie Geist. Es ist schwerer, den Geist stillzuhalten als den Körper, deshalb ist diese scheinbar leichte Stellung eigentlich mit am schwersten zu beherrschen.

Erfahre hier mehr zu meinem Angebot und lese wie meiner Schülerin Claudia Yoga bei ihrer Wirbelsäulenverkrümmung geholfen hat.

Wenn du dich tiefergehend mit dem Thema beschäftigen möchtest, lege ich dir Hedwigs neues Buch „Schmerzfrei durch Yoga“, erschienen im Trias-Verlag, ans Herz!

Die Definitionen der Übungen wurden teilweise entnommen aus dem Sanskrit Glossar des BDY von Veronika Karl (ISBN 978-3-922990-07-9).

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